Tomas Espedal – Biografie, Tagebuch, Briefe

Tomas Espedal BiografieTagebuchBriefe

An der Grenze von fiktionalem und autobiografischem Schreiben

In seinem neuen Buch Biografie, Tagebuch, Briefe begibt sich der norwegische Autor Tomas Espedal erneut an die Grenze zwischen Fiktion und Autobiografie. Er schreibt über die Frauen, die er geliebt hat, seine Jugend als Boxer, seine eigenen Lese- und Schreiberfahrungen und über die Beziehung zu seiner Mutter. So zeigt er nach und nach, wie er zu dem Menschen wurde, der er heute ist.

Das Buch umfasst drei Bände: Biografie, Tagebuch und Briefe, die in den Jahren 1999 bis 2005 in der norwegischen Heimat des Autors eigenständig veröffentlich wurden und nun zusammengefasst auch in deutscher Übersetzung erhältlich sind. Obwohl es sich um drei selbstständige Teile handelt, wären sie ohne die unterschiedliche Betitelung nicht so einfach voneinander zu unterscheiden. Die verschiedenen Teile bringen dem Leser Tomas Espedal näher, er gibt Erinnerungen und Erfahrungen preis und zeigt, was ihn geprägt hat und wie er zu dem Menschen wurde, der er nun ist. Leser seiner anderen Bücher wie Wider die Natur, Gehen, oder die Kunst ein wildes und poetisches Leben zu führen und Wider die Kunst, werden immer wieder Episoden oder Fragmente finden, die ihnen bekannt vorkommen. Die Bezugspunkte sind dieselben, Erinnerungen an die Kindheit, die Liebe zu verschiedenen Frauen, das Leben mit der Tochter nach dem Tod seiner Frau, wichtige Orte und immer wieder der Tod seiner Mutter.

Es gehört nichts dazu, zu reisen, neue Orte zu sehen, schwieriger ist es, jeden Tag dieselbe Strecke zu gehen, dieselben Orte zu sehen, auf eine neue Weise, vielleicht, aber dennoch, dieselben Straßen, dieselben Häuser, um einen neuen Gedanken zu finden, eine ganz neue Art, derselbe zu sein.

Die verschiedenen Texte kehren aber stärker als in den vorigen Bänden immer wieder zum Prozess des Schreibens zurück. Espedal berichtet von seinen Schreibprozessen, seinem Werkzeug, so dass sein Schreiben wie eine handwerkliche Tätigkeit erscheint. Es macht als Leser unheimlichen Spaß, Espedal dabei zu beobachten, wie er mit sich, seiner Sprache, seinen Büchern und seiner Zeit kämpft, mit ihnen ringt. So schafft er es, seine Arbeit zu vermitteln, wodurch eine Art eigene Poetik entsteht, die er hier darstellt und reflektiert.

Was ich meistere und kann, interessiert mich nicht. Die Bücher, die ich schreiben könnte, schreibe ich nicht. Die Bücher, die ich vielleicht nicht schreiben kann, die möchte ich gerne schreiben. Ein Versuch. Jedes Buch ist ein Versuch. Ich versuche, das, was ich kenne und kann, zu verlassen. Versuche, die Sprache, die ich bereits beherrsche, zu verlassen. Ich möchte mir das Schreiben schwerer machen. Schreiben heißt, die Sprache komplizierter machen, die Welt schwieriger zu machen. Hieran ist etwas Einfaches: Ich setze mich an den Schreibtisch und schreibe.

Leser, die auf der Suche nach einer und kurzweiligen und einfachen Lektüre sind, werden hier nicht glücklich. Aber das ist wohl kaum die Zielgruppe, an die Espedal sich wendet. Biografie, Tagebuch, Briefe folgt keinem roten Faden oder einer Handlung, vieles wirkt assoziativ, die Formen wechseln, das Ende erscheint wie ein langes Gedicht, in dem Espedal sich verletzlich und gefühlvoll zeigt. Beim Lesen entsteht das Gefühl dem Autor nahe zu kommen, das Spiel mit der Fiktion und dem Autobiographischen beherrscht Espedal vorzüglich. Die Themen sind aus seinen anderen Romanen bekannt, was aber kein Problem für diese Textsammlung darstellt. Wenn jemand so mit seiner Sprache umgehen kann wie Tomas Espedal, dann lese ich auch gerne Dinge, die sich auch in einem seiner anderen Romane finden und folge ihm an die Grenzen zwischen Realismus und Fiktion.

Man arbeitet mit der Sprache. Die Sprache arbeitet auf einen Ausdruck hin. Es ist immer entscheidend, dass es Leser und Bücher gibt. Die Sprache arbeitet nicht, um Konventionen zu erfüllen oder um gelesen zu werden. Die Sprache ist eine Maschine, die Sprache produziert. Die Maschine überrascht die Arbeit, ein Zwischenfall. Das ist es, was Literatur werden kann.

Wer Bücher von Tomas Espedal kennt, weiß, worauf er sich bei Biografie, Tagebuch, Briefe einlässt. Drei Texte, die sich zwischen fiktiven Begebenheiten und eigenen Erfahrungen des Autors bewegen. Was hier deutlich stärker im Vordergrund steht, sind Gedanken zum Schreiben und die Bedeutung, die dieser Prozess für den Autor hat. Ein Buch, dass sich trotz geringer Seitenzahl nicht schnell liest, dabei immer interessant bleibt und den Leser direkt am Leben Espedals teilhaben lässt, sowohl in glücklichen als auch in schmerzvollen Momenten und dank der Sprachkunst des Autors eine besondere und intensive Lektüre bietet.

Weitere Informationen zum Autor und seinem Werk finden sich auf der Seite des Matthes & Seitz Verlag.

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